Israelische Intellektuelle kritisieren Wiederaufbau von Synagoge
Einstimmig votierte die Hamburger Bürgerschaft für den Wiederaufbau der im Nationalsozialismus zerstörten Bornplatzsynagoge. Nun mobilisieren Kritiker gegen das Projekt, darunter Prominente wie Ex-Botschafter Avi Primor.
Die reich geschmückte Bornplatzsynagoge in Hamburg ließen die Nationalsozialisten 1939 abreißen. Um nach dem Anschlag von Halle ein Zeichen gegen Antisemitismus in Deutschland zu setzen, will die Hansestadt den Aufbau des Gotteshauses unterstützen. Doch gegen den von der Bürgerschaft einstimmig gefassten Plan, den der Bund mit Dutzenden Millionen Euro zu einem großen Teil mitfinanzieren könnte, regt sich unter israelischen Intellektuellen Widerstand.
Eine Gruppe aus 45 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Bürgern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Unternehmern, viele von ihnen mit Bezug zu Hamburg, warnen in einem offenen Brief vor dem Wiederaufbau. Sie fürchten die Folgen einer Rekonstruktion des einst prächtigen Gotteshauses, »wo derzeit ein beeindruckendes Denkmal existiert«. Zu den Unterzeichnern gehören bekannte Historiker wie der Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann, der einst im Auftrag des Bundes die braune Vergangenheit des Auswärtigen Amts aufarbeitete und den Protest initiierte, aber genauso etwa Israels früherer Botschafter in Deutschland, Avi Primor.
Der Spruch, mit dem für das Projekt geworben wird »Gegen Antisemitismus – Für eine neue Synagoge auf dem Bornplatz« sei schlichtweg »falsch und irreführend«, heißt es in dem Schreiben. »Wer dem Antisemitismus entgegentreten will, wird mit einem Bau natürlich nichts erreichen, und ein Gegner eines solchen Vorhabens sollte auch nicht zwangsläufig als Antisemit abgestempelt werden.« Dem »Hamburger Abendblatt« erklärte Zimmermann den Ärger über den Slogan so: Für ihn höre er sich an wie »Gegen Rassismus, für den Aufstieg des HSV« – es bestehe schlicht kein Zusammenhang.
»Dem Gedenken an die Hamburger Juden unangemessen«
Erklärung von 45 Intellektuellen zu den Wiederaufbauplänen für die Hamburger Bornplatzsynagoge
Die Unterzeichner kritisieren, dass ein Wiederaufbau nach historischem Vorbild an derselben Stelle zwar die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Deutschland erhöhe, hinterfragen aber den Sinn des Baus. »Es gibt bereits eine Synagoge in der Stadt«, schreiben sie. »Anstatt eine riesige Geldsumme zu verwenden, um das Judentum zur Schau zu stellen, wäre es nicht sinnvoller, die Mittel zu kanalisieren, um nützlichere Elemente der jüdischen Kultur und Tradition zu entwickeln und zu fördern?«
Durch die Neuerrichtung würde zudem die 1988 von der Künstlerin Margrit Kahl errichtete Gedenkstätte am früheren Standort verschwinden, fürchten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. Sie sorgen sich, dass das Erinnern an die Gräueltaten durch den dort geplanten monumentalen Prachtbau ersetzt werden könnte. Verschwindet die Leere der Zerstörung, die »Erinnerung und Nachdenklichkeit darüber auslöst, was hier zerstört worden ist?«, fragen sie. Sie fürchten, das Ausmaß der von den Nazis begangenen Untaten könnte durch eine Wiederbebauung des Joseph-Carlebach-Platzes, der bisher Kahls Bodenmosaik zeigt, untergehen. In der Erklärung heißt es weiter, die derzeitige Initiative zum Wiederaufbau erscheine »abträglich gegenüber der Art und Weise, auf der sich in den vergangenen Jahrzehnten jüdische und deutsche Erinnerungskultur entwickelt hat«, sie sei »dem Gedenken an die Hamburger Juden unangemessen«.
Der öffentliche Brief ist nicht die erste heftige Kritik gegen die Wiederaufbaupläne in Hamburg. Der Bauhistoriker Gert Kähler hatte zuletzt davor gewarnt, eine Geschichtskulisse zu errichten. Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Hamburg treibt dagegen den Wiederaufbau der Synagoge am alten Ort voran. Die Jüdische Gemeinde hat Ende Januar eine Machbarkeitsstudie zur geplanten Rekonstruktion ausgeschrieben. Der Gemeindevorsitzende Philipp Stricharz kündigte laut »Jüdischer Allgemeiner« jedoch an, auch beim Wiederaufbau zeigen zu wollen, »dass es einen Bruch gab, und die Nazis die Bornplatzsynagoge in der Pogromnacht schändeten und in Brand steckten.« Ob und was auf dem Platz entstehe, sollten außerdem nur die Gemeindemitglieder entscheiden.