Bornplatz Hamburg
Standort: Joseph-Carlebach-Platz, ehem. Bornplatz, Hamburg
Architekten: Semmy Engel, Ernst Friedheim
gebaut: 1906
zerstört/ geschleift: 1938–40
Die Synagoge am Bornplatz war die erste freistehende Hamburger Synagoge an exponierter Stelle und eine der größten Synagogen Nordeuropas. Sie diente der deutsch-israelitischen Gemeinde als Hauptsynagoge.
Nachdem die Hamburger Torsperre im Jahr 1861 aufgehoben wurde, nutzten viele jüdische Gemeindemitglieder die Möglichkeit in Stadtteile außerhalb der Stadtbefestigung überzusiedeln und somit die engen Gassen der Neustadt hinter sich lassen zu können. Besonders durch Zuzug geprägt war das Grindelviertel. Die dort zur Verfügung stehenden jüdischen Gebetsräume, dazu zählt auch die im Jahr 1895 errichtete Synagoge an der Beneckestraße, konnten die zunehmende Zahl von Gemeindemitgliedern nicht mehr aufnehmen. 1902 wurde der Beschluss zu einem Synagogenneubau gefasst und noch im selben Jahr erwarb die jüdische Gemeinde einen Bauplatz von der Finanzdeputation, den Bornplatz. 1904 begann der Bau der Synagoge, die am 13. September 1906 eingeweiht wurde. In unmittelbarer Nähe wurde 1911 auch die Talmud Tora Schule errichtet.
Sichtbar, frei auf einem Platz stehend wurde die neue Synagoge im neoromanischen Stil mit dunklen Klinkern, ockerfarbigem Backstein und rotem Mainsandstein gestaltet, wobei dieser mit neogotischen Elementen wie Rosetten und Maßwerk in den Fenstern zu einem zur damaligen Zeit als „Deutsch“ empfundenen Stil kombiniert wurde. So sollten die Zugehörigkeit der Gemeinde zum deutschen Staat und ihr Anspruch auf Gleichberechtigung zum Ausdruck gebracht werden. Bekrönt wurde das Gebäude, eigentlich eine moderne Betonkonstruktion, von einer 39m hohen, weithin sichtbaren Kuppel.
Die Bornplatzsynagoge bot Platz für 1.200 Menschen und war, einen neo-orthodoxen Kultus entsprechend, nach dem traditionellen Raumschema organisiert und reich ausgestattet. Der Hauptraum der als Zentralbau angelegten Synagoge wurde gebildet durch eine quadratische Figur mit abgeschrägten Ecken. Vier eingestellte Pfeiler mit darüber liegendem Scheitbogen unterteilten den Raum in ein zentrales Quadrat mit vier anschließenden Kreuzarmen und abgeschrägten Raumeinheiten in den Ecken. Dreiseitig umlaufend gab es eine Frauenempore mit ca. 500 Plätzen. Im Zentrum der Anlage stand nach orthodoxem Ritus die Bima, über der sich bis zu einer inneren Höhe von ca. 25m eine Gewölbeschale erhob, die mit einem Glasoberlicht ausgestattet war. Der Raum zwischen dem Glasoberlicht und der darüber liegenden Kuppel war entsprechend nur als eine Scheinarchitektur angelegt, und sollte keinerlei Funktionen aufnehmen. Östlich von der zentral gelegenen Bima befand sich eine breite Treppenanlage, in die raumseitig eine Kanzel eingestellt war. Im Halbrund schloss sich dahinter der nach Osten gerichtete Toraschrein an.
Angebaut an die Synagoge, aber klar von dieser getrennt, schloss sich ein Gemeindezentrum mit Verwaltungsräumen, einer Wochentagsynagoge, einem Vorlesesaal, Mikwen im Untergeschoss und weiteren Nutzräumen an.
Die Bornplatzsynagoge wurde während der Novemberpogrome am 10. November 1938 verwüstet. Bis Mitte 1940 wurden auf Kosten der Gemeinde alle Gebäudereste abgerissen. Mit Verweis auf eine Rückkaufsklausel im Kaufvertrag von 1902 musste die Gemeinde das Grundstück zu einem geringen Preis an die Stadt Hamburg zurückverkaufen. Auf dem Gelände wurde Anfang der 40er-Jahre ein Hochbunker errichtet, der, renoviert und umgebaut, heute durch die Universität genutzt wird.
Zum fünfzigsten Jahrestag der Zerstörung wurde der Platz neugestaltet. Ein Entwurf der Künstlerin Margit Kahl von 1986 bildet den Grundriss und das Deckengewölbe der Synagoge in dunklem Mosaikpflaster und schwarz poliertem Granit auf dem Platz nach.
Der Bornplatzsynagoge kommt aufgrund ihrer Größe und exponierten Lage im Hamburger Stadtbild als Ausdruck eines im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gewandelten Selbstverständnis jüdischer Gemeinden in Deutschland eine besondere Bedeutung zu.